Prima Klima rund um FRA ?

Autor:  Horst Bröhl-Kerner,     26.11.2013

Klimaschutz ist in

Klimaschutz ist in - nicht mehr so wie vor ein paar Jahren, als sich (fast) alle noch ernsthaft Gedanken darum machten, wie die drohende Erderwärmung vielleicht noch verhindert werden könnte, aber als Geschäft. Was kann man nicht alles konsumieren, um das Klima zu schützen - von der klima­freundlichen Espresso­machine bis zum Elektro-Zweitwagen gibt es unzählige Möglich­keiten, in immer kürzeren Abständen energie­effizienter zu werden. Und der Blaue Engel beruhigt das ökologische Gewissen, wenn Smartphone oder Fernseher nach ein paar Monaten schon wieder ersetzt werden müssen, weil die neuen Features einfach gebraucht werden.
Guten Gewissens konsumieren - diese Botschaft hat Konjunktur in allen Bereichen, egal, wie überflüssig und klima­schädlich sie grundsätzlich sind. Auch die Luftverkehrs­wirtschaft feiert ihre "Vier-Liter-Flieger", weil zumindest die fortschritt­licheren Flug­gesellschaften im Flotten­durchschnitt "nur" knapp 4 Liter Kerosin pro hundert Passagier­kilometer brauchen - was vielleicht ein passabler Wert wäre, wenn die Passagiere damit individuell vom Start zum Ziel gebracht würden, aber für ein Massen­verkehrs­mittel, das zudem noch jede Menge Zusatz­verkehre erzeugt, ein grauslich schlechter Wert ist. Lufthansa führt lautere und dreckigere Start­verfahren ein, um ein bißchen Sprit zu sparen und damit das Klima zu schützen. Langfristig soll Kerosin aus Biomasse den Luftverkehr "klimaneutral wachsen" lassen - aber kein Mensch weiß, wo die notwendige Biomasse herkommen soll, wenn man den Hungernden dieser Welt nicht noch den letzten Bissen vom Teller klauen will.

Klimaschutz ist in - wenn er hilft, Kosten einzusparen, das Geschäft anzukurbeln und das Gewissen zu beruhigen.


Klimaschutz ist out

Politisch sieht es ein bißchen anders aus. Der gerade zu Ende gegangene 19. Welt­klima­gipfel in Warschau war ein Flop, bei dem nur in letzter Minute noch verhindert werden konnte, dass der Prozess ganz zusammenbricht. In Australien und Kanada hat die Fossil-Lobby Premier­minister installiert, die auch die dreckigsten Rohstoffe (hier Kohle, dort Schieferöl) noch zum Verbrennen ausbuddeln lassen, in den USA läuft die Tea Party gegen jede Auflage für die Kohle­wirtschaft Sturm, Japan gibt seine Klimaziele auf, weil die Kernenergie nicht nur in Fukushima Probleme macht, und in Deutschland verwässert die "Klima-Kanzlerin" einen EU-Kompromiß über PKW-­Emissions­grenzen, um den Absatz von deutschen Luxus­klasse-­Wagen nicht zu gefährden (wofür die BMW-Eigner eine klima­freundliche Spende in die CDU-­Partei­kasse schieben).
Auch hier zieht die Luft­verkehrs­wirtschaft mit. Die Zivil­luftfahrt-­Organisation der UN, die ICAO, setzt ihren Auftrag, den Beitrag des Luftverkehrs zum Klimaschutz zu organisieren, in der Form um, dass sie nach zehn Jahren Vorbereitung gerade beschlossen hat, ab jetzt einmal ernsthaft zu überlegen, ob vielleicht ab 2020 ein schüchterner zusätzlicher Anreiz zum Spritsparen in Form eines weltweiten Emissions­handels eingeführt werden könnte, weiß aber jetzt schon, welche Schlupf­löcher da mindestens eingebaut werden müssen, damit es niemandem weh tut. Zugleich wird aus allen Rohren gegen das "Vorpreschen" der EU geschossen, die ihr Emissions­handels­system (das ohnehin darnieder liegt, weil die Zertifikate derzeit viel zu billig sind) "jetzt schon" auf den europäischen Flugverkehr ausdehnen möchte.

Klimaschutz ist out - wenn er mit zusätzlichen Kosten verbunden ist oder gar das Geschäft insgesamt bedroht.


Klimaschutz kommunal

Was kann in dieser Situation ein kommunales Klimaschutz-Konzept leisten, wie es Kelsterbach und Raunheim gerade erarbeiten? Vorausgesetzt, man nimmt die wissen­schaft­lichen Ergebnisse ernst und zieht daraus den Schluss, dass die Emission von Treibhaus­gasen so schnell und umfänglich wie möglich einge­schränkt werden muss, bleiben durchaus eine Reihe von Handlungs­möglich­keiten.

Als erstes ist da informieren. Natürlich hat jede/r Einzelne als BewohnerIn, ArbeitnehmerIn oder Gewerbetreibende/r die Möglichkeit, in vielen Dingen mehr oder weniger "klima-freundlich" zu handeln, wenn sie/er denn die nötigen Informationen hat, und dazu kann die Kommune vielfältig beitragen. Das reicht von Einkaufstipps bis zur Abfalltrennung, von der Mobilität bis zur Heizung. Problematisch wird es hier aber schon, wenn über die Information hinaus noch direkte Anreize zu Verhaltensänderungen gegeben werden sollten. So ist sicher unbestritten, dass Zu-Fuß-gehen und Radfahren klimafreundlicher sind als Autofahren. Sollte die Kommune dies nicht aktiv fördern, statt sämtliche innerstädtischen Flächen in Parkplätze zu verwandeln?

Zweitens kann jede Kommune versuchen, ihre eigenen Aktivitäten klima-freundlich zu gestalten, von der Verwendung von Recyclingpapier in den Büros (soweit Papier noch gebraucht wird) bis zum ökologischen Fahrtraining für die Fuhrpark-MitarbeiterInnen, von richtigen Lüftungs­verhalten in städtischen Gebäuden bis zu komplexen kommunalen Energie­projekten. Hier ist man aber schnell in Bereichen, wo sehr unter­schiedliche Bewertungen möglich sind. So können Biomasse-­Heizungen durchaus einen Beitrag zum Klimaschutz leisten, allerdings nicht unbedingt dann, wenn sie mit "nachhaltiger Biomasse" vom rein gewinn-orientierten Hessen-­Forst betrieben werden.
Richtig kritisch wird es aber da, wo Klimaschutz nicht mehr Geld spart, sondern kostet. So kann man städtische Grün­flächen mit einem gewissen Aufwand so anlegen, dass sie möglichst resistent gegen Klimastress sind, Kohlenstoff binden und zum Erhalt der Biodiversität beitragen - man kann sie aber auch pflege­leicht und kosten­günstig durch Kies­schüttungen kahl halten und mit Topfpflanzen ausstaffieren (die aber u.U. auch ohne Klimastress schon nach kurzer Zeit wieder eingehen).



Forderungen der BI

Zu all dem kann man unterschiedlicher Meinung sein. Wie kann und sollte sich eine Bürger­initiative dazu positionieren, deren Hauptthema eigentlich der Fluglärm ist?
Zwei Punkte lassen sich m.E. direkt aus der Forderung ableiten, dass die Zahl der Flug­bewegungen nicht weiter wachsen darf. Eine Kommune, die diese Forderung ernst nimmt, muß ihre Aktivitäten so ausrichten, dass sie weder direkt noch indirekt unnötige Flug­bewegungen erzeugen. Dazu gehört als Erstes, dass sie die Beschaffung von Produkten und Dienst­leistungen lokal ausrichtet. Ein großer Teil des Flugverkehrs kommt nur deshalb zustande, weil Produkte aus fernsten Weltgegenden importiert werden, die ebenso gut regional hergestellt werden können. Dies zum Beschaffungs- bzw. Vergabe-­Kriterium zu machen, wäre ein wichtiger Schritt.
Zweitens, und hier wird es schon kritischer, sollte sie auch bei Aktivitäten, die sie initiiert und subventioniert, nicht solche fördern, die unnötigen Flugverkehr erzeugen. Praktisch heißt das, dass sich auch die Wirtschafts­förderung auf regionale Aktivitäten konzentrieren sollte, anstatt in einen unkritischen Globalisierungshype zu verfallen, der die Phantasien grenzenlosen Wachstums umweltschädlichsten Verkehrs beflügeln will und die Stadt und ihre Einrichtungen nur noch als Basis und Infra­struktur für die Luft­verkehrs­wirtschaft präsentiert. Ein Gewerbegebiet am Ortseingang nicht mehr als "Stadttor", sondern als "AirgateOne" vermarkten zu wollen, ist ein prinzipienloser Kotau vor einem mächtigen Konzern, der nicht nur die regionale Wirtschaft deformiert, sondern auch die Lebens­bedingungen der Raunheimerinnen und Raunheimer massiv verschlechtert.
Manchmal tragen Vergleiche, auch wenn sie überzogen sind, zur Verdeutlichung bei. In George Orwells Roman "1984" (geschrieben 1948, damals ein Zukunftsroman) ist Groß­britannien heruntergekommen zu einem völlig desolaten Anhängsel eines gigantischen Molochs, der die Menschen versklavt und nur noch unter unwürdigsten Bedingungen leben läßt. Es heißt auch nicht mehr Groß­britannien - es heißt "Airstrip One".





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